INSERT-Vorgehensmodell
Phase 1: Vorbereitung der Transformation
Für eine erfolgreiche Durchführung einer agilen Transformation ist eine gründliche Vorbereitung unabdingbar. Mit der Untersuchung der unternehmensindividuellen Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und Abbruchfaktoren wird eine wichtige Basis für die weitere Transformation geschaffen. Aufbauend auf dieser Basis können benötigte Kompetenzen abgeleitet und in Form eines schlagkräftigen Transformationsteams abgedeckt werden. Dieses Team agiert als zentraler Treiber der Transformation und ist insbesondere in der Vorbereitungsphase dafür verantwortlich ein gemeinsames Verständnis von Agilität und ein klares Zielbild der Transformation innerhalb des Unternehmens zu schaffen. Durch die Bestätigung des Mandates des Transformationsteams gewinnt das Transformationsteam an Schlagkräftigkeit und fokussiert sich fortan auf die Durchführung der Transformation. Hierbei werden die gewonnenen Erkenntnisse aus der gesamten Vorbereitungsphase genutzt, um wichtige Erfolgsfaktoren und Blockaden zu identifizieren und diese für die Durchführungsphase zu priorisieren. Durch dieses Vorgehen wird ein wichtiger Grundstein für die erfolgreiche Durchführung der Transformation und die Erreichung der mit ihr verbundenen Ziele gelegt.
Nach diesem generellen Überblick werfen wir nun einen Blick auf die Details eines jeden Schrittes der Transformationsvorbereitung.
Im Agile Assessment wird das Unternehmen in Bezug auf existierende und abgeschlossene agile Projekte sowie Abteilungsstrukturen und Stakeholder innerhalb von maximal einer Woche durchleuchtet. Ziel ist es, die unternehmensindividuellen Herausforderungen, Risiken, mögliche Showstopper, Promotoren und Erfolgsansätze aus abgeschlossenen agilen Projekten zu identifizieren. Auf dieser Basis kann die Vorbereitung vorangetrieben und die Durchführung der Transformation geplant werden.
Um dies zu gewährleisten, werden in diesem Assessment folgende Faktoren untersucht:
- Managementunterstützung und finanzielle Mittel
- Notwendigkeit für die Etablierung agiler Arbeitsweisen
- Unternehmensindividuelle Abbruchfaktoren
- Erfolgsfaktoren und Risiken
Darüber hinaus hat sich als weiteres wertvolles Instrument des Agile Assessments die Nutzung eines Agile Transformation Canvas erwiesen. Hierbei werden ähnlich des Business Model Canvas das Zielbild und die Faktoren der agilen Transformation untersucht.
Abschließend findet auf Basis der Ergebnisse eine Go- oder No-Go-Entscheidung statt, ob die Transformation durchgeführt werden kann und wenn ja in welchem Maße.
Den zweiten Schritt der Vorbereitung stellt das Bilden des Transformation Teams dar. Hierbei ist es wichtig sowohl eine schlagkräftige als auch ein kompetente Startaufstellung zu finden. Um dies zu gewährleisten, bieten die Rollen und Kompetenzbereiche des Transformation Teams einen guten Orientierungspunkt.
Das INSERT-Framework sieht für das Kernteam der Transformation sechs obligatorische Rollen vor, die um zwei weitere optionale Rollen ergänzt werden.
Transformationssponsor: Der Transformationssponsor agiert als Promoter der agilen Transformation, bietet dem Transformationsteam Unterstützung und hat durch seine Rolle im oberen Management eine gewisse Strahlkraft sowie Spielräume, um Blockaden auflösen zu können. Zudem stellt er finanzielle Mittel bereit oder organisiert die Bereitstellung dieser Mittel im Unternehmen.
Management Repräsentant: Der Management Repräsentant dienen ebenfalls als hochrangiger Promotor der Transformation. Zudem bietet er einen guten Überblick über die Interessen der Führungskräfte des Unternehmens. Er kann Managementeinblicke in einzelne oder mehrere Geschäftsbereiche geben und dort Entscheidungen zur Umsetzung von Arbeitsaufträgen treffen.
Fachbereichsvertreter: Im Transformationsteam ist ebenfalls die Rolle des Fachbereichsvertreters. Dieser gibt Einblicke in die operativen Geschäftsprozesse, Möglichkeiten zur Optimierung und kann die Eindrücke und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden im Fachbereich in das Team spiegeln.
IT-Vertreter: Zusätzlich wird eine klassische IT-Rolle wie ein IT-Architekt oder Entwickler benötigt, um auch die technischen Anforderungen und die Realisierbarkeit von technischen Anpassungen einschätzen zu können. Zudem kann diese Rolle IT-technische Anforderungen in das Transformationsteam einbringen.
Transformation Owner: Eine viel diskutierte Rolle stellt die Rolle des Transformation Owners dar. Dieser tritt als Product Owner der Transformation auf und gibt somit die Vision, Arbeitsaufträge und Prioritäten vor.
Agile Coach: Die letzte Kernrolle des INSERT-Frameworks stellt der Agile Coach dar. Die Rolle des Agile Coaches ist eine der umfassendsten und komplexesten Rollen im Transformation Team und ist detailliert hier beschrieben (Mehr siehe Agile Coaching)
Optionale Rollen: Die obligatorischen Rollen können um weitere Rollen ergänzt werden. Beispiele hierfür sind Change Manager oder Test Manager. Beim Aufbau des Frameworks wurde vorausgesetzt, dass der Agile Coach in seiner über ausreichend Change Kompetenzen verfügt, um diese Aspekte im Rahmen der Transformation berücksichtigt. Die Rolle des Test Managers wird häufig durch IT und Fachbereichsvertreter wahrgenommen. Sollten diese Rollen nicht wie vorgesehen durch andere Rollen vereint werden, ist zu erwägen diese als explizite und eigenständige Rolle aufzunehmen.
Die Kompetenzbereiche des Transformationsteams
An die Teammitglieder ergeben sich nicht nur rollenbasierte, sondern auch kompetenzbasierte Anforderungen. Insgesamt sieht das INSERT-Framework die Notwendigkeit für die Abdeckung von neuen Kompetenzbereichen vor.
Die Abdeckung dieser Kompetenzbereiche hat eine hohe Bedeutung für den Erfolg der Transformation. Nachfolgend werden die einzelnen Kompetenzbereiche kurz erläutert.
Staffing des Transformationsteams & HR: Dieser Kompetenzbereich fokussiert sich darauf, dass das Transformationsteam zu jeder Zeit über die benötigten Skills und Kompetenzen verfügt. Darüber hinaus ist er dafür verantwortlich HR-Aspekte in die Transformation einzubringen und HR-Konzepte zu verändern.
Ausstattung und Tools: Ziel ist die Sicherstellung einer optimalen lokalen und virtuellen Zusammenarbeit und der Verfügbarkeit von Tools für das Aufgabenmanagement (bspw. Jira) im Unternehmen. Das Ziel ist es sicherzustellen, dass die Ausstattung für den Arbeitsstil des Unternehmens bestmöglich geeignet ist.
Software und IT-Infrastruktur: Der Bereich Software und IT-Infrastruktur fokussiert sich auf die Beschaffung, Installation und Bereitstellung der benötigten Software, sowie der Anpassung der IT-Architektur für neue und veränderte Arbeitsweisen.
Agiles Change Management: Kaum eine andere Transformation verlangt von den Mitarbeitenden eine derartige Veränderung, die bei Arbeitsweisen und Arbeitsmethoden anfängt und sich bis hin zu Veränderungen in der Kultur und der persönlichen Haltung der Mitarbeitenden erstreckt. Die Aufnahme dieses Themenbereichs ist deshalb notwendig. (Mehr siehe Agiles Change Management)
Kommunikation: Hier liegt der Fokus auf der rechtzeitigen und richtigen Kommunikation über die bevorstehenden Veränderungen, als wichtigem Erfolgsfaktor der Transformation.
Bildung und Agile Coaching: Ein weiterer zentraler Bereich des Transformationsteams liegt in der Sicherstellung der benötigten Kompetenzen für eine agilere Arbeitsweise und neu benötigte Kompetenzen. (Mehr siehe Agile Coaching)
Prozesse, Governance und Compliance: Der Kompetenzbereich fokussiert sich auf die Anpassung von Prozessen, um diese effektiver zu gestalten, zu verschlanken und insbesondere für agile Arbeitsweisen nutzbar zu machen. Zusätzlich wird die Praktikabilität von Governance und Compliance Vorgaben analysiert und für agile Arbeitsweisen optimiert. Je nach Zielreifegrad können die zentralen Vorgaben bis auf ein Minimum reduziert werden.
Kunden- und Lieferantenkontakt: Mit der Umstellung auf agile Arbeitsweisen verändern sich nicht nur Abläufe innerhalb des Unternehmens, sondern auch aus dem Unternehmen heraus in Richtung von Kunden und Lieferanten. Ein agileres Arbeitsmodell kann nur funktionieren, wenn Kunden und Lieferanten auch Interesse an einer derartigen Mitarbeit und Kooperation haben. Daher ist es wichtig auch diese über bevorstehende Änderungen zu informieren und diese Veränderung zu begleiten.
Mitbestimmung: Die Einbindung der Mitbestimmung stellt bei jeder Transformation eine Herausforderung dar. Insbesondere wenn die Transformation zu internen Reorganisationen, neuen Aufgabenfeldern und veränderten Zielbewertungskriterien für Mitarbeitende sowie der Einführung neuer Tools führen. Auch bei einer agilen Transformation kommt es in all diesen Bereichen zu Veränderungen und somit auch zu einem erheblichen und intensiven Abstimmungsbedarf mit den Mitbestimmungsgremien der Unternehmen. Dieser ist im Rahmen einer vertrauensvollen und transparenten Zusammenarbeit zu fokussieren und zu begleiten.
Nachdem das Transformationsteam gebildet wurde, fokussiert sich dieses primär auf drei Dinge: die Konkretisierung der Vision, die Definition der Zielebene des Maturity Models und die Festlegung des Veränderungsansatzes und -umfangs.
Konkretisierung der Vision
In diesem Schritt definiert das Transformationsteam in Zusammenarbeit mit dem Management, Führungskräften und Mitarbeitenden eine Vision für die Zukunft. Wichtig ist hierbei, dass diese Vision eine klare intrinsische Motivation in sich trägt. Dies in dem Sinne, dass die Umstellung auf ein agileres Arbeitsmodell von der Unternehmensführung nicht getrieben wird, da es wichtige Konkurrenten machen oder es gerade im Trend ist. Vielmehr geht es darum, dass die Transformation auf einer proaktiven intrinsischen Überzeugung beruht. Dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Transformation insbesondere bei Widerständen.
Definition der Zielebene des Maturity Models
Aus der Erfahrung heraus ist es sinnvoll, sobald die Vision und die Motivation für die Transformation geklärt und definiert worden sind, die Zielebene des Maturity Models zu definieren. Durch diese Reihenfolge wird das Zielbild des Maturity Models an die Bedürfnisse des Unternehmens und an seine Vision und Mission angepasst, ohne dass das Maturity Model die Definition der Vision beeinflusst hat. Mit der Definition des Zielreifegrades wird für jede Dimension des Maturity Models das Zielbild definiert und konkretisiert. Selbstverständlich ist es auch möglich diese Festlegungen mit der Zeit anzupassen.
Festlegung des Veränderungsansatzes und -umfangs
Sind die Vision und Mission sowie die Zielebene definiert, gilt es den Veränderungsansatz für die Transformation zu konkretisieren. Die Veränderungsansätze lassen sich nach drei Herangehensweisen unterscheiden: Top-Down, Bottom-Up und Mischformen. Beim reinen Top-Down sowie dem Bottom-Up Vorgehen, ergeben sich wesentliche Nachteile für die agile Transformation.
Während beim Top-Down Vorgehen zwar eine schnelle Umstellung erreicht werden kann, werden hierbei Change Aspekte vernachlässigt, eine Veränderung erzwungen und so die Nachhaltigkeit des Vorhabens gefährdet.
Das Bottom-Up Vorgehen erreicht im Vergleich eine höhere Nachhaltigkeit durch Freiwilligkeit und persönliche Überzeugung, jedoch kommt es hier häufig zu Skalierungsproblemen, da wesentliche Rahmenbedingungen für agile Arbeitsweisen im Unternehmen nicht geschaffen wurden.
Daher ist in den meisten Fällen eine Mischform zwischen diesen Ansätzen zu empfehlen.
Während Ziele und Vision zentral definiert werden und durch das Transformation Team Anpassungen an der Organisation Top-Down vorgenommen werden, entscheiden sich auf operativer Ebene die Mitarbeitenden für die geeigneten Arbeitsweisen und organisieren sich in Communities, um einen Wissensaustausch zu gewährleisten. So entstehet ebenfalls eine Bottom-Up Bewegung, die auch vom zentralen Transformation Team begleitet wird. Durch diesen Ansatz kommt es zu einer weitreichenden und nachhaltigen Transformation des Unternehmens.
Mit den Ergebnissen der Phase „Vision, Zielebene und Scope definieren“ kann im nächsten Schritt das Commitment des Managements und weiterer relevanter Stakeholder eingeholt und Ziele für die Transformation definiert werden. Hierdurch wird ein gemeinsames Verständnis über die Inhalte und erwarteten Ergebnisse erreicht. Sobald hierüber Einigkeit besteht und auch ein Commitment für die Kostenübernahme besteht, wird der Startschuss für die Durchführung der Transformation gegeben.
In der letzten Phase der Vorbereitung trägt das Transformationsteam die Erkenntnisse aus der gesamten Vorbereitung in Form eines Transformation Backlogs zusammen. Neben unternehmensindividuellen Bestandteilen des Backlogs bietet das INSERT-Framework zusätzlich eine Vorauswahl an Aufgaben an, die im Rahmen der Anlaufphase der Durchführung der Transformation durchgeführt werden müssen. Diese Tätigkeiten umfassen die weitere Ausgestaltung der Transformations-Roadmap, das Skizzieren der zukünftigen Organisationsstruktur, das Erstellen von Budget-, Kommunikations-, Trainings- und Entwicklungsplänen sowie die Erstellung einer Raum- und Ausstattungsplanung. Diese werden im Rahmen der Durchführung der Transformation näher beschrieben. (Mehr siehe Durchführung der Transformation)